The Business of Brand Management
A Modest Proposal Library

Der ruinierte Ruf. Über das fehlende Vertrauen in Markenbotschafter*innen.

Kaum jemand spricht mehr über die Bedeutung von Vertrauen als dies Kommunikator*innen in der Marketingwelt tun. Wie aber steht es um das Vertrauen in sieMiserabel. (Dies offenbart eine Studie von Markus Wiesenberg und Ansgar Zerfaß, pointiert zusammengefasst in: kommunikationsmanager 2/2020, ausführlicher präsentiert in: prmagazin 12/2019).

Dass Konsument*innen der Werbung meist mit Skepsis begegnen, dürfte bekannt sein. Dass es dem Geschäft dennoch ganz gut zu gehen scheint, überrascht eigentlich. Dies ist wohl nicht zuletzt deshalb so, weil David Letterman nicht allein dasteht, wenn er bekennt, dass er natürlich nicht an unterschwellige Werbung glaube, sich aber (als Großstädter) andererseits kürzlich einen Mähdrescher gekauft habe.  

Dennoch: nicht einmal ein Viertel der Deutschen vertraut Werbefachleuten. Daher wird ja auch seit Jahren angestrengt nach alternativen Kommunikator*innen gesucht. Als Markenbotschafter*innen sind sehr beliebt: (i) Führungskräfte (insbesondere der CEO), (ii) Mitarbeiter*innen, (iii) engagierte externe Markenbotschafter*innen, (iv) Pressevertreter*innen, (v) externe Expert*innen.

Die oben genannte Studie zerstört die hochfliegenden Hoffnungen gründlich:

  • weniger als 10 Prozent der Bevölkerung vertraut den Führungskräften/dem CEO, den Kommunikationsverantwortlichen, und/oder den Marketingverantwortlichen
  • weniger als 15 Prozent der Bevölkerung vertraut den Mitarbeiter*innen
  • knapp mehr als 15 Prozent der Bevölkerung vertraut Journalist*innen
  • weniger als 20 Prozent der Bevölkerung vertraut der externen Fangemeinde (Kund*innen und ganz aktuell: Influencer*innen).

Das sind absolut katastrophale Ergebnisse. Welche Tristesse! Keine der gefeierten Markenbotschafter*innen erreicht den Wert von Werber*innen. Diese Zahlen sind den Verantwortlichen ganz offensichtlich nicht bekannt. In ihrer Wahrnehmung vertrauen 60 Prozent der Bevölkerung den Führungskräften, 50 Prozent den Kommunikationsfachleuten, 65 Prozent den Mitarbeiter*innen, 66 Prozent den Fans und – abgeschlagen selbst in der Binnensicht: 30 Prozent den Marketingvertreter*innen (aktuell scheinen dies die sprichwörtlichen Autoverkäufer der Branche zu sein). Der springende Punkt dabei: Diese Zahlen dürften den internen Budgetverhandlungen zugrunde liegen.

All dies sind aggregierte Zahlen. Jede real existierende Unternehmenschef*in, jede Kommunikations- und Marketingchef*in, alle Mitarbeiter*innen eines spezifischen Unternehmens, fast alle Journalist*innen und Influencer*innen konstituieren – bei genauerer Betrachtung – natürlich die berühmten Ausnahmen zu dieser Regel. Dennoch, und dies mein modestproposal an die Mehrheit der Markenmacher*innen: vermeiden sie den Aufwand des genauen Hinschauens, verabschieden sie sich stattdessen einfach von einigen liebgewordenen Vorurteilen, vergessen sie den Einsatz von Markenbotschafter*innen und setzen voll und ganz auf Werbung. So erzeugen sie nicht sehr viel mehr Vertrauen. Aber sie sparen Geld, für das lohnende Einsatzmöglichkeiten sicher bereitstehen.

Ein Beitrag von:
16. Juni 2020

Über den Autor:

Prof. Dr. Jürgen Häusler ist Honorarprofessor für strategische Unternehmenskommunikation an der Universität Leipzig. Bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 war er Chairman bei Interbrand Central and Eastern Europe, und hat Unternehmen und Organisationen weltweit bei der Entwicklung von Marken beraten. Als Sozialwissenschaftler hat er u.a. am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln gearbeitet.

Kontakt:
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